Svenja Matusall

Die Geschichte der Neurobiologisierung von Denken, Fühlen und Handeln

Unter dem Begriff "social neurosciences" oder "soziale Neurowissenschaften" entsteht seit einigen Jahren eine neue, interdisziplinäre Forschungsrichtung. WissenschaftlerInnen unterschiedlicher Fachrichtungen (Neurowissenschaftlerinnen, Psychoanalytiker, Psychologinnen, Soziologen...) beziehen sich auf die Erklärungskraft neuronaler Prozesse für soziale Interaktionen und Phänomene. Das Gehirn wird nun nicht mehr als jene Entität dargestellt, die dem handelnden Subjekt gegenüber steht und die eigentliche Entscheidungsinstanz ist, die festgelegte Verschaltungen hat und im Erwachsenenalter nur noch abbaut, sich sonst aber nicht mehr verändert. Vielmehr erscheint das Gehirn, über das die sozialen Neurowissenschaften forschen, beeinflussbar (durch Training oder chemische oder technische Eingriffe), ein Leben lang veränderbar und zentral für soziale Phänomene von der Erkennung von Gesichtern bis zu Moralvorstellungen.

Das vorliegende Dissertationsprojekt untersucht, um was es sich bei dieser Forschungsrichtung handelt und warum sie gerade in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren populär geworden ist. Es soll untersucht werden, wie Wissen in neurowissenschaftlichen Laboren produziert wird, das dann aus dem Labor auswandert, sich mit Bedeutung auflädt und eine soziale und kulturelle Relevanz erhält. Dazu ist es notwendig, zunächst die Bedingungen zu untersuchen, unter denen dieses Wissen produziert wird. Daher ist das Kernstück des Projekts eine ethnographische Laborstudie in einem der führenden Labors für soziale Neurowissenschaften. Das so gewonnene Material wird zum einen mit einer quantitativen Untersuchung der Forschungslandschaft abgerundet und zum anderen in einen zeitgeschichtlichen Rahmen eingebettet. Ziel ist, das Feld der sozialen Neurowissenschaften zu definieren, Strukturen, Mechanismen und Inhalte zu kennen und es in einen grösseren Rahmen der Forschungslandschaft in der Wissenschaft vom Menschen sowie einen sozialen und kulturellen Kontext einzuordnen.

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